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Forderungseinzug in Polen – in Deutschland oder Polen klagen?

Viele deutsche Firmen und Geschäftsleute treiben seit Jahren Handel mit polnischen Partnern oder engagieren sich auf andere Art in Polen. Wie auch in Deutschland kann es hier zu Zahlungsschwierigkeiten der polnischen Geschäftspartner kommen, was die Frage nach sich zieht, ob hier eine gerichtliche Durchsetzung in Polen oder in Deutschland sinnvoller ist (sofern man hier überhaupt die Wahl hat/ siehe Problem des Gerichtsstandes).

Klage in Deutschland oder Polen gegen polnischen Geschäftspartner

Eine pauschale Antwort kann man hier nicht geben. Wie so oft, kommt es auf den Einzelfall an. Es spielen hier viele Faktoren eine Rolle. Weiter muss man überhaupt die Wahl haben (häufig gilt hier die EuGVVO für die Frage, welches Gericht zuständig ist), was nicht immer der Fall ist. Eine solche Wahlmöglichkeit kann sich aber eröffnen, wenn man zuvor eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung vereinbart hat (diese muss wenigstens halbschriftlich geschlossen werden; eine bloße Regelung innerhalb der AGB reicht in der Regel nicht aus – Art. 23 EuGVVO) oder der Erfüllungsort in Deutschland (siehe hier – sofern anwendbar – Art. 5 EuGVVO) liegt.

Kosten für Gerichtsverfahren in Polen nicht automatisch geringer?

Ein häufiges Missverständnis besteht darin, dass deutsche Geschäftsleute meinen, dass ein Gerichtsverfahren (siehe polnische Anwalts– und Gerichtskosten) in Polen “ein Schnäppchen” sei. Dem ist nicht so. Auch ist zu beachten, dass man selbst beim Gewinnen des Prozesses in Polen fast immer auf einen Teil seiner eigenen Rechtsanwaltskosten sitzen bleibt. Dies hängt mit der (leider ständigen) Rechtsprechung polnischer Gerichte in Bezug auf die Erstattungsfähigkeit von Anwaltsgebühren im Gerichtsverfahren zusammen.

Auch die Gerichtskosten müssen nicht geringer sein. Gerade bei hohen Streitwerten können die Gerichtskosten in Polen sogar höher sein.

Es findet polnisches Recht bei Klage in Polen Anwendung?

Ein weiteres Missverständnis besteht darin, dass deutsche Geschäftsleute häufig glauben, dass bei einer Klage in Polen immer polnisches Rechts Anwendung findet. Auch dies stimmt nicht. Die Frage, wo man klagt und welches Rechts Anwendung findet, darf man nicht miteinander vermischen. Bei vielen Kaufverträgen zwischen deutschen und polnischen Firmen – ohne wirksame Vereinbarung des anwendbaren Rechts – findet ohnehin CISG (UN-Kaufrecht) Anwendung, egal, ob man in Polen oder Deutschland klagt. Es kann durchaus sein, dass bei einer Klage in Polen sogar deutsches Recht oder ein Recht eines Drittstaates oder internationale Regeln Anwendung finden; welches Recht letztendlich Anwendung findet, hängt von mehreren Faktoren ab und muss zunächst sorgfältig geprüft werden. Ohne diese Prüfung ist eine sinnvolle Beantwortung der Frage, ob man besser in Polen oder in Deutschland die Forderung einklagt, nicht möglich.

Siehe : EG 593/2008 – Verordnung über auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendendes Recht, welche einheitlich das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht festlegt.

Vorteile einer Klage in Polen

Die Klage in Polen hat in der Regel folgende Vorteile

  • Vollstreckung ohne Anerkennung der Entscheidung in Polen und damit schneller möglich
  • u.U. kann gleichzeitig mit der Klage der Zugriff auf das Vermögen des Schuldners beschränkt werden
  • sofern polnisches Recht gilt, ist das Verfahren hier vorhersehbarer und ein Gutachten ist hier nicht notwendig

Nachteile einer Klage in Polen

Die Klage in Polen hat  in der Regel folgende Nachteile

  • die formellen Voraussetzungen für den Kläger sind in Polen strenger (Klageforderung muss komplett belegt sein)
  • die Verfahrensvorschriften sind in Polen strenger (z.B. kurze Berichtigungsfristen – meist 7 Tage)
  • das Verfahren dauert meist länger als in Deutschland (es gibt meist mehr als 2 mündliche Verhandlungen)
  • polnische Gerichte (oft in den Eingangsinstanzen) sind häufig im Umgang mit internationalen Vorschriften unsicher
  • der Klagegegner kann sich u.U. selbst vertreten oder hat hier bereits einen Anwalt – wird also am Verfahren teilnehmen
  • selbst bei vollen Gewinnen des Verfahrens sind die Anwaltskosten nur zum Teil erstattungsfähig (der Mandant muss also auf jeden Fall einen Teil der Kosten selbst tragen)

Vorteile einer Klage in Deutschland

Die Klage in Deutschland (Beklagter ist Pole) hat in der Regel folgende Vorteile:

  • Verfahrensdauer ist kalkulierbarer und meist kürzer
  • formelle Voraussetzungen sind geringer als in Polen für den Kläger
  • der polnische Gegner beteiligt sich entweder gar nicht (ignoriert das Verfahren) oder verteidigt sich zu spät
  • zwischen polnischen Gegner und seinen deutschen Anwalt (wenn er denn einen einschaltet) gibt es häufig Abstimmungsschwierigkeiten (Dokumente und Informationen werden nicht rechtzeitig oder gar nicht übersandt – siehe polnische Mentalität)
  • gesetzlichen Anwaltsgebühren sind voll erstattungsfähig
  • Gerichte sind “sicherer” beim Umgang mit internationalen Regelungen

Nachteile einer Klage in Deutschland

Die Klage in Deutschland hat in der Regel folgende Nachteile:

  • Vollstreckung in später in Polen nötig
  • häufig wird die Gegenseite (also der Beklagte9 nicht richtig bezeichnet (Rechtsform oder Name falsch), da der Mandant oder Anwalt kein Polnisch kann bzw. die Rechtsform nicht kennt (siehe hier Problem z.B. Einzelfirma FHU oder PPHU).
  • Probleme der Gerichte beim Umgang mit polnischem Recht (Bestellung eines Gutachters), was zur Verlängerung des Verfahrens führt

 

Wir bereits oben ausgeführt, kommt es immer auf den Einzelfall an. Pauschal lässt sich schlecht sagen, ob man in Polen oder Deutschland klagen sollte. Gerade bei hohen Forderungen/ Inkassoforderungen in Polen sollte man besser eine deutsch-polnische Kanzlei einschalten, denn selbst bei einer Klage in Deutschland besteht erhebliches Fehlerpotenzial und Fehler im Titel kann man in der Regel im Zwangsvollstreckungsverfahren in Polen nicht mehr korrigieren.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Stettin – Löcknitz – Berlin

 

 

Forderung in Polen – Inkasso kurz erklärt

Inkasso in Polen durch einen Anwalt kurz erklärt

Deutsch-Polnische Rechtsfälle nehmen immer mehr zu. Für Polen ist Deutschland der wichtigste Handelspartner. Auch die deutschen Geschäftsleute orientieren sich mehr und mehr in Richtung Polen. Aufgrund der niedrigen Steuern macht eine GmbH-Gründung in Polen durchaus Sinn. Wer noch nicht in Polen ist und mit polnischen Handelspartner Geschäfte macht, der wird auch mit Außerstände zu tun haben und diese realisieren wollen.

Forderungseinzug in Polen – was ist zu beachten?

Inkasso in Polen ist anders als der Forderungseinzug in Deutschland. Der Forderungseinzug in Polen läuft in folgenden Schritten ab:

1. Schaffen eines vollstreckbaren Titels

Ohne Titel keine Zwangsvollstreckung in Polen. Ein Titel ist zum Beispiel ein Vollstreckungsbescheid, ein Versäumnisurteil, ein normales Urteil oder vollstreckbarer Vergleich. Es muss sich nicht um einen polnischen Titel handeln. Dies ist nicht notwendig. Auch aus einen deutschen Titel kann man – unter bestimmten Voraussetzungen – in Polen die Zwangsvollstreckung betreiben.

Wenn in Deutschland gegen polnische Staatsbürger oder Firmen eine Titel geschaffen wird, dann müssen dazu zunächst die Voraussetzungen vorliegen. Man kann nicht in jedem Fall in Deutschland ein Klageverfahren gegen Polen führen. Voraussetzung ist hierfür, dass ein Gerichtsstand in Deutschland begründbar ist.

In vielen zivilrechtlichen Fällen findet die sog. EuGVVO (früher Rechtsverordnung 44/2001/ jetzt 1215/2012) Anwendung. Dort ist geregelt, wann man in Deutschland in deutsch-polnischen Fällen klagen kann. Die häufigsten Fällen bei denen eine Klage in Deutschland möglich sind, sind Gerichtsstandvereinbarungen und wenn der Erfüllungsort in Deutschland liegt.

Wichtig ist, dass die Klage in Deutschland, wenn diese möglich ist, nicht bedeutet, dass auch deutsches Recht Anwendung findet. Die Zuständigkeit des Gerichtes und das anwendbare Recht sind zwei verschiedene Schuhe. Die sollte man beachten. Die Klage in Deutschland kann durchaus Vorteile haben, allerdings kann diese auch nachteilig sein. Der Vorteil kann insbesondere sein, dass sich der polnische Schuldner nicht am deutschen Gerichtsverfahren beteiligt und dann ein Versäumnisurteil schnell und kostengünstig ergeht. Daraus kann man in Polen die Zwangsversteigerung betreiben. Das Problem ist aber, dass, wenn der polnische Schuldner hier vor dem deutschen Gericht (z.B. über einen Rechtsanwalt) oder selbst – sofern kein Anwaltszwang besteht –  tätig wird, das Gericht in der Sache tätig wird und oft das polnische Recht Anwendung findet. Dies kann das Verfahren erheblich verzögern und auch teurer machen, da dann oft Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen.

2. Vollstreckungsklausel für Polen/ EU-Titel

Wenn ein deuscher Titel existiert, ist eine Voraussetzung erfüllt, um in Polen die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Dies ist aber noch nicht alles. Der deutsche Titel muss noch mit einer Vollstreckungsklausel versehen werden, die in Polen akzeptiert wird. Auch hier hilft die EuGVVO weiter. Die Klausel muss in Polen am Gericht am Sitz des polnischen Schuldners beantragt werden. Im Klauselerteilungsverfahren hat der polnische Schuldner relativ wenig Chancen noch die Vollstreckung in Polen zu verhindern. Im Regelfall wird die Klausel erteilt.

Etwas einfacher ist es, wenn ein sog. EU-Titel existiert. Für das erfolgreiche Inkasso in Polen ist ein solcher Titel von Vorteil, da man keine Klausel in Polen beantragen muss und damit Zeit gewinnt. Die EU-Titel ist kein besonderes Urteil, sondern ein ganz normales deutsches Urteil (Versäumnisurteil oder ein Vollstreckungsbescheid) über eine Geldforderung, welches zusätzlich mit einem speziellen “Formular” versehen wird. Dieses Formular ist international lesbar. Wichtig ist, dass für die Beantragung eines EU-Titels eine unbestrittene Forderung vorliegen muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn das deutsche Urteil ein Versäumnis- Anerkenntnis- oder ein Vollstreckungsbescheid ist. In all diesen Verfahren hat der Schuldner sich nicht gegen die Forderung gewehrt.

3. Vollstreckung in Polen

Im dritten Schritt ist dann die Zwangsvollstreckung in Polen möglich. Dazu wird ein Gerichtsvollzieher in Polen (Komornik) beauftragt, der versucht die Forderung beizutreiben. Im Normalfall zeigen die Gerichtsvollzieher in Polen ein bessere Motivation als ihre deutschen Kollegen. Dies liegt daran, dass die Gerichtsvollzieher in Polen nicht Angestellte des Staates sind, sondern privat tätig werden und am Erfolg der Vollstreckung beteiligt werden.

Andererseits muss man auch bedenken, dass in Polen auch etwas mehr “manipuliert” wird von Seiten des Schuldners. Aber dies gibt es ja auch in Deutschland.

Die Vollstreckung in Polen gehört in die Hände eines Anwalt in Polen vor Ort.

Rechtsanwalt Polen – A. Martin